01. Mai 2011


Sächsisches Staatsministerium der Justiz
und für Europa
01095 Dresden                                              




Jugendstrafvollzug in freien Formen in Störmthal

Sehr geehrter Herr Dr. Martens,

wir, die Mitglieder der Bürgerinitiative „Pro Störmthal“ (www.pro-stoermthal.de), wenden uns an Sie, da das Sächsische Staatsministerium der Justiz u.a. Aufsichtsbehörde über den Jugendstrafvollzug in Sachsen und für die Organisation des Strafvollzugs zuständig ist.

Das Diakonische Werk beabsichtigt, im Lutherstift in Störmthal, Dorfstraße 2 einen “Jugendstrafvollzug in freien Formen” durch den Verein Prisma e.V. betreiben zu lassen. Dafür ist bereits ein Antrag auf eine unbefristete Nutzungsänderung zur Wohnstätte für das Projekt im ehemaligen Pflegeheim gestellt worden.

Nach Angaben des Vereinsvorstandes Herrn Merckle wurde sein Verein Prisma vom Sächsischen Staatsministerium beauftragt, in Sachsen einen Strafvollzug in freien Formen zu betreiben.

Nachdem die Einwohner von Störmthal kurzfristig vom geplanten Vorhaben informiert wurden, haben sich mehrere Bürger zusammengetan und die Bürgerinitiative „Pro Störmthal“ gegründet. Vorab wird ausdrücklich klargestellt, dass sich unsere Bürgerinitiative mit den Zielen des Projektes identifiziert. Sie möchte aber verhindern, dass in der Ortslage von Störmthal inmitten von Wohnbebauung ein unbefristeter Jugendstrafvollzug in freien Formen entsteht. Hierfür gibt es geeignetere Standorte.

Störmthal soll sich zu einem Gebiet entwickeln, indem Naherholung im Vordergrund steht. Der Störmthaler See, der zum Leipziger Neuseenland gehört, wird derzeit geflutet. Wir befürchten, dass sich ein Jugendstrafvollzug negativ auf die Entwicklung unseres Ortes hin zur Tourismusregion auswirkt.

Darüber hinaus äußern wir erhebliche Bedenken gegen die Zulässigkeit eines solchen Vorhabens generell und auch in Bezug auf die Planung in einem nach dem Flächennutzungsplan ausgewiesenen Dorfgebiet.

Der Strafvollzug in freien Formen wird derzeit von privaten Trägern in nur einem Bundesland neben dem geschlossenen und offenen Vollzug betrieben. Dort werden wohl Jugendliche zwischen 14 und etwa 23 Jahren untergebracht, die zu einer Jugendstrafe von bis zu zwei Jahren ohne Bewährung verurteilt wurden und bereits in einer Strafanstalt einsitzen.
Allerdings obliegt die zentrale Aufgabe des Justizvollzugs ausschließlich dem Gewaltmonopol des Staates. Die Allgemeinheit soll durch diesen hoheitlichen Charakter vor weiteren Straftaten geschützt werden. Die Privatisierung einer Strafvollzugsanstalt in der vorbezeichneten Form ist weder mit unserer Verfassung noch mit dem geltenden Recht in Einklang zu bringen; insbesondere dürfte Art. 20 Abs. 3 GG entgegenstehen.  

In Sachsen ist die neue Form des Strafvollzugs in § 13 Abs. 3 SächsJStVollzG benannt. Jedoch existieren keine ausreichenden Vorschriften, z.B. wie der Strafvollzug in freien Formen ausgestaltet werden soll, wer geeigneter Träger dieses Vollzugs sein kann und wo dieser durchzuführen ist. Auf § 98 SächsJStVollzG wird verwiesen. „Die Bewachung“ der Jugendlichen erfolgt nicht durch Vollzugsbeamte, so wie dies in anderen Vollzugsanstalten gewährleistet ist. Das Betreiben eines Jugendstrafvollzugs in freien Formen durch private Träger ohne nähere gesetzliche Regelungen erscheint daher problematisch. Zudem stellt sich die Frage, wie die Jugendlichen psychologisch und auch medizinisch betreut werden. Prisma e.V. äußerte sich dazu bisher nicht konkret.

Zur beantragten Nutzungsänderung des Objekts als Wohnanlage beim Landratsamt – Bauaufsichtsamt - ist das Folgende anzumerken: Die Antragstellung für eine Nutzungsänderung zur Wohnstätte dürfte jedenfalls fehlerhaft sein. In § 13 Abs. 3 SächsJStVollzG wird ausdrücklich der Jugendstrafvollzug in freien Formen als weitere Form des Strafvollzugs benannt. Auch ein “Jugendstrafvollzug in freien Formen" dient, wie jede andere Justizvollzugsanstalt, der Unterbringung rechtskräftig verurteilter Straftäter. Somit wäre ein Antrag auf Nutzungsänderung zur Justizvollzugsanstalt zu stellen. Die Verwaltung kann daher nicht sehenden Auges einen fehlerhaften Antrag auf Nutzungsänderung zur Wohnstätte bewilligen.

Darüber hinaus dürfte auch das Betreiben einer Strafvollzugsanstalt in einem Dorfgebiet bzw. faktischem Wohngebiet gegen baurechtliche Vorschriften, insbesondere gegen die BauNVO verstoßen. Ein vergleichbarer Sachverhalt wurde mit Beschluss des BVerwG vom 26.07.2005 (Az. 4 B 33/05) und durch das vorinstanzliche Urteil des Sächs. OVG vom 03.03.2005 (Az.: 1 B 120/04) rechtskräftig entschieden.
Es ist hervorzuheben, dass selbst Prisma e.V. Grundstücke „außerhalb einer geschlossenen Ortschaft favorisiert (vgl. Homepage von PRISMA e.V.: gesucht wird „eine Alleinlage/Außerhalb einer geschlossenen Ortschaft (Außenbereich / "grüne Wiese")“. Deshalb ist nicht nachvollziehbar, weshalb nunmehr ein Grundstück innerhalb der Ortschaft an der einzigen durch den Ort führenden Straße durch Prisma e.V. ausgewählt wurde. Das Dorf Störmthal hat selbst nur etwa 500 Einwohner. Daher sind Probleme und Konflikte, insbesondere beim Zusammentreffen, bereits absehbar.

Staatliche Mittel müssen vordergründig für die Prävention und für die Hilfen zur Erziehung zur Verfügung gestellt und eingesetzt werden müssen, um unseren Kindern und Jugendlichen tatsächlich eine Chance zu geben. Dies auch im Hinblick auf die Rückfallquoten bei einer Unterbringung in Jugendstrafanstalten in freien Formen. Unverständlich ist zudem, dass im Bereich der Jugendhilfe Mittel gekürzt werden und demgegenüber neue und gleichzeitig kostenintensivere Anstalten des Jugendstrafvollzugs gefördert werden.
Wir möchten Sie bitten, zu dem geplanten Vorhaben in Störmthal, insbesondere im Hinblick auf die aufgeworfenen Bedenken und fehlenden gesetzlichen Regelungen, Stellung zu nehmen. Ihrer Rückäußerung sehen wir entgegen und verbleiben

mit freundlichen Grüßen



Janette Krug             und         Dr. Volker Strobel
stellvertretend für die  Bürgerinitiative Pro Störmthal